Christoph Brummes einfache und skurrile Sprache besitzt Unterhaltungswert. Jedenfalls die Hälfte der Strecke. Schade, denn danach stellt sich eine Unordnung der Wörter ein.

Wenn ein Kind den Vater als Brüllaffen bezeichnet. Wenn es den Vater Wurzelzwerg und Giftzwerg nennt, wenn es den Vater nicht als Vater sondern als furzenden Hausdieb und Prügler sieht, dann ist die Kindheit ziemlich ramponiert und kein Zuckerschlecken. Christoph Brummes Protagonist und Ich-Erzähler hat keine supertolle Beziehung zu seinen Eltern. Sie sind für ihn der Mann und die Frau. Spießer inmitten eines dörflichen DDR-Milieus, die keinen Raum für ihre Kinder lassen. Hinter der biederen Fassade werden Zuwendung und Liebe durch Prügel und sexuellen Missbrauch erstickt. Selbst der Kindergeburtstag verkommt zur jämmerlichen Show. Bloß nichts verschwenden. Ja, es gibt ein Geschenk aber nur etwas Praktisches. Ein künstlicher Tag, wo die Familie verkrampft auf die Heimkehr des unberechenbaren Vaters wartet. Wie stumme Fische sitzen sie ihm am Abend gegenüber. Der väterliche Terror pausiert nur einmal im Jahr, nämlich zu Weihnachten.

Der Ich-Erzähler bricht aus diesem Chaos von Zucht und Ordnung aus. Er flüchtet sich in eine Fantasiewelt, beschließt Schriftsteller und ein Held zu werden. So wie der Honigdachs, der vor nichts und niemandem Angst hat, eben ein wahrer Teufelskerl. Doch die Flucht nützt ihm nichts, die Demütigungen und die Härte des Vaters zerbrechen ihn. Der einzige Ausbruch aus dieser brutalen Realität ist der Selbstmord. Zumindest der Versuch, denn der 10-Jährige ist kraftlos. Er geht auf Distanz zu sich selbst, spricht von sich nur noch in der dritten Person. Irgendwann ist die Schmerzgrenze erreicht, der Ich-Erzähler widersetzt sich dem Vater, schlägt zurück und bedroht ihn mit dem Beil. Zermürbt verlässt er als junger Mann das Elternhaus. Duckt sich in der Hauptstadt, will nicht erkannt werden, nicht er selbst sein. Parallelen brechen auf. Die verborgenen Lügen hinter der Fassade des Elternhauses und die verborgenen Staatslügen. Hier die scheinbar ach so fröhliche Familie und da der ach so fröhliche Staat, dessen Kinder beschützt werden müssen. Und zwar mit aller Härte und allen Sicherheitsvorkehrungen an den Grenzen. Hier die Dankbarkeit gegenüber dem prügelnden Vater, der doch nur das Beste will und dort die Dankbarkeit gegenüber dem sozialistischen Staat, der doch auch nur das Beste will und wenn mit Gewalt. Gewalt gegen diesen Sonderling, der so gar nicht in das Familienbild und in die sozialistische Idee passt. Mit dem Fall der Mauer keimt neue Hoffnung auf. Doch die vermeintlichen Segnungen des Westens - auch nur wieder eine Enttäuschung.

Es ist nicht nur die Enge des familiären Horizonts, die Christoph Brummes Ich-Erzähler erdrückt. Auch die Enge des sozialistischen Systems presst und wirkt. Die familiäre und staatliche brutale Disziplinierung und die düsteren Aussichten sich daraus zu befreien, verwischen den Sinn für die Realität. Brummes Ich-Erzähler verirrt sich auf der Suche nach Unterschlupf im Labyrinth von Tatsachen und Fantasie. Leider auch der Leser, der nun zwischen den vielen Rätseln umherirrt.

Christoph D. Brumme, Der Honigdachs, Roman, gebunden, 134 Seiten, Dittrich Verlag GmbH, Berlin 2010, ISBN: 978-3-937717-50-0, 14,80

© Soraya Levin