Wenn Wörter wie „Tonfolgenerzeugungsmannschaft“, „Wörterbestattungsvereinsmannschaft“ und „Fettwurstwortkessel“ fallen, kann es sich nur um einen „Heisl“ handeln. Sein neues Buch „Greiner“ ist eine schonungslose Abrechnung eines suchenden Schriftstellers mit sich selbst.

Der Literaturnobelpreisträger Konrad Greiner hat seinen festen Platz in dem Excesior Caffé in Tokio. Hier auf dem Hocker vor der großen Scheibe hat er Zeit für einen Austausch mit sich selbst. Eine unbequeme Wahrheit ist das, die er hier gefüllt mit unzähligen Capuccinos aus sich herauszerrt. Er hat sich mal wieder in die Unfreiheit begeben, sich verleiten lassen für eine Lesereise hier herzukommen. Sein ganzes Leben, eine einzige Unfreiheit. Greiner ist verbittert. Wie mit einer Schleifmaschine haben sie ihn aufpoliert, ihn glattgefeilt für das tägliche Ringen mit den anderen. Hilflos, ohne Widerstand, hat er sich diesem Angriff auf sein Leben nicht verweigert, hat dieses Spiel mitgespielt. Zunächst als Musiker, immer freundlich dem Erfolg hinterher hechelnd. Dann ist er irgendwann abgetaucht, hat sich davon gemacht aus diesem Innsbruck, diesem Kerker, der ihn erdrückt. Doch egal wohin er auch ging, Wien, Berlin, Frankfurt. Die Endstation hieß immer wieder Innsbruck. Während sich das Caffé füllt, füllt sich Greiners Zynismus. Er denkt an seine Kindheit, an den Schulbesuch mit den alten Nazilehrern, an seinen Vater, der sich an ihm, den Greiner und an seiner Mutter abreagiert hat, an seine Mutter, die nach dem Tod des Vaters sich an ihm, den Greiner abreagiert hat. Eines Tages ist er sogar mal abgesprungen. Dreieinhalb Monate lang. Hat wie gelähmt nur dagesessen und dann kam der Sprung, raus aus dem Musikgeschäft. Doch sein zarter Versuch aus dem Spiel auszusteigen, scheitert. Wie ein Sog zieht es ihn zum Texten hin. Schon ist er wieder im verhassten Spiel. Diesmal ein Gefangener, ein Unfreier im Literaturbetrieb. Er spielt seine Rolle, wird zum „Wortausdünster“ und „Satzkadaver“, wickelt seine Gefühle auf und verbirgt sie hinter einer Fassade. Fremdbestimmt sind seine Texte, ausgerichtet auf den Verlag und den Leser, ausgerichtet auf den Erfolg. Ekelhaft die Schaumschläger und Großmäuler, die ihn zum Selbstbetrug zwingen. Fremdbestimmt ist sein ganzes Leben. Nur einmal war er frei. Nach seiner Scheidung.

Konrad Greiner, der Kaffeehaushocker, Musiker und Literat. Er muss bis nach Tokio reisen, um erst im Alter von über 50 Jahren mit sich selbst in Kontakt zu treten. Hier auf dem Hocker im Excesior Caffé wringt er sein Leben aus. Stunde um Stunde eine sitzende Entblätterung, bis er schließlich nackt da sitzt, der wahre Konrad Greiner. Stunde um Stunde, wo er sich nicht mehr aus dem Weg gehen kann, bis schließlich sein unauffälliger Selbstbetrug sichtbar auf dem Tisch liegt. Sein Leben ausgelutscht wie eine Zitrone. Seine künstlerische Freiheit dem Erfolg und der hemmungslosen Gier der Verlage geopfert. Immer wieder mit dabei sein bei der nächsten Runde. Ganz unbemerkt der Angriff auf sein Leben, die schleichende Entwaffnung. Kampfunfähig gestrandet in einer Ehe, wieder gestrandet im Haus der Mutter, letztlich wieder gestrandet in diesem einschnürenden Innsbruck, von dem er nicht loskommt.

Heisl‘s Greiner ignoriert sich lange Zeit selbst. Erst im Gespräch mit sich selbst wird ihm klar, Authentizität ist der Schlüssel, um das Rätsel des Lebenssinns zu lösen. „...zuerst sich selbst erforschen, ja... und dann die Welt: Innsbruck.“

Greiner. Ein echt empfehlenswert krasser, teilweise spleeniger Blick auf die Sinnfrage des Lebens.

Heinz D. Heisl, Greiner, Roman, gebunden, 331 Seiten, Dittrich Verlag GmbH, Berlin 2009, 19,80 , sFr 34,60, ISBN: 978-3-920862-37-1

© Soraya Levin