„Abriss“, ein Roman des österreichischen Autors Heinz D. Heisl, der zeigt, wie tief eine kindliche Seele verletzt werden kann, so dass sie ein Hassband zwischen sich und den Eltern entwickelt.

Heisls Protagonist ist jahrelang gefangenen in einem Käfig voller Hass. Als sein Vater verstirbt, reist er an den Ort seiner Kindheit, um das Elternhaus nicht nur aus seinen Gedanken, sondern auch real wegreißen zu lassen. Während seiner Zugreise tauchen die Bilder seiner Kindheit und spätere Alltagseindrücke auf. Es sind die lieblosen Bilder der Eltern, die ihre „Kleinhäusleridylle“ auf einer Müllhalde errichtet haben, die Dankbarkeit und Gehorsam fordern und ihm schmerzhaft ihre Verachtung entgegenbringen. Eltern, die nicht an ihn glauben, ihn für einen Versager halten, ihn prügeln, ihn ins Heim stecken wollen, die ihn für seine sexuelle Reife mit „Dreckskerl“ und „Drecksau“ beschimpfen, ihn ins Dunkel sperren und mit ihrem endlosen Geschrei quälen. Bitterkeit überkommt Heisls Protagonisten wenn er an diese „Kleinhäuslerfamilie“ denkt. An seinen Vater, den "Matrosenkappenmann", der im Krieg auf den Seiten der Faschisten stand, sich nach dem Krieg keineswegs schuldig fühlt und jede Religion und ihn, seinen Sohn, verachtet. Und er, er verabscheut ihn, den Vater, mit dem er sich nicht identifizieren kann. Und noch ein Bild ist da, neben der zänkischen Mutter die liebevolle Großmutter. Bei ihr kann und darf er mit allen Ecken und Kanten er sein. Da sind die Eindrücke der quälenden Scheidung der Eltern und die Gedanken an die harte und freudlose Schulzeit, an seinen Onkel, den Frauenheld, an die in den „Scharnowzügen“ angereisten „Wirtschaftswunderdeutschlandeltern“ mit ihren „Wirtschaftswunderdeutschlandkindern“, mit denen er sich im Sommer das Haus geteilt hat, an den Hofmann, seinen Schulfreund, der die Waffe gegen sich selbst gerichtet hat. Er, er hadert, hat Angst, ist zu feige. Doch der Hofmann, der hatte Mumm. Dazwischen, kurz vor der Ankunft, Gedanken an seine späteren Begegnungen in New York. Als der Zug hält, steigt er aus und ist – allein. Ein Isolierter, ein Einzelgänger ohne Bindung, voller Angst. Einer, der vor sich selbst davonläuft.

Nur noch seinen Hass befriedigen, das Elternhaus abreißen lassen und dann nichts wie weg. Doch indem die Bagger an seiner statt auf das Haus einschlagen, entrückt er ihm ganz plötzlich, der Hass.

„Abriss“, ein Eltern-Kind Drama, das die schwere bittere Mitgift einer lieblosen elterlichen Hand zeigt. Heisls Protagonist leidet unter den elterlichen Ungerechtigkeiten, die Angst in ihm säen, ihn verachten und bedingungslose Unterwerfung fordern. Aus dem Schmerz wird Hass und dieser nagt am Selbstwertgefühl, raubt den Atem und zersetzt das Leben. Was bleibt ist ein Einzelgänger, gefangen in einem Hasskäfig, dessen Zerstörungsdrang der Kindheitserinnerung zum Pyrrhussieg wird.

„Abriss“, ein gut gelungener bisweilen sprachlich grotesker und eigentümlicher Roman über abgewiesene Elternliebe und Hass.

Heinz D. Heisl, Abriss, Dittrich Verlag, Berlin 2008, 267 Seiten, gebunden, 19,80 (D) / 34,60 SFr, ISBN 978-3937717-99-9

© Soraya Levin