Die Liebe einer Frau

Es gibt Traumpaare, die die Welt über Jahre entzücken. So der Schriftsteller Romain Gary und die Schauspielerin Jean Seberg, deren Liebe die Lebensader für große Gefühle ist, deren Liebe über ihren tragischen Tod triumphiert. Was für ein Triumph der Liebe, über den Romain Gary in seinem Roman Die Liebe einer Frau erzählt.

Schauplatz der Handlung ist Paris. Hier begegnen sich an einem Regentag zufällig zwei unglückliche Menschen. Michel und Lydia. Michels Frau Yannick plant ihren Selbstmord, Lydias Ehemann ist nach einem Unfall behindert, die Tochter tot. Lydia lässt den Behinderten bei ihrer Schwiegermutter zurück. Sie fühlt sich schuldig, sucht nach Erklärungen, rechtfertigt ihr Handeln. Hat er nicht ihre Tochter umgebracht? Vielleicht hat sie ihn ja schon vor dem Unfall nicht mehr geliebt? Michel hingegen sucht nach einem Ausweg. Seine Liebe zu Yannick ist seit Jahren ungebrochen. Der einzige Bruch, die unheilbare Krankheit Yannicks. Ihr Freitod, die Rettung für eine Liebe in die Ewigkeit. Michel lässt sich darauf ein. Will die Stadt verlassen, ganz weit weg, bloß ganz weit weg. Bereits im Boarding nach Caracas entscheidet er sich in letzter Sekunde anders, fährt wieder zurück in die Straße, in der er seit Jahren mit Yannick lebt. Im Strudel seiner Gefühle möchte er zu ihr gehen, sie von der unvermeidbaren Tat abhalten. Doch der Zufall entscheidet darüber. Die Begegnung mit Lydia gibt Michel die Hoffnung, dass seine alte Liebe überlebt. So wird Lydia zum Balsam seiner verwundeten Seele, zumindest für eine Nacht. Michels Situation ist vertrackt. Er braucht Lydia. Mit ihr will er seinen Schmerz betäuben, mit ihr will er seiner Liebe zu Yannick ein Stück Ewigkeit geben. Wie eine Ankerkette hängt er an Lydia. Michel sieht es nicht, die Zwänge, die er auf sie ausübt. Zwischen dem Rettungsanker und der sich auflösenden Liebe klafft ein tiefes Loch. Für Lydia gibt es zurecht keine Zweisamkeit mit Michel.

Die Liebe einer Frau ist eine Liebe, die mit Hingabe liebt. Romain Garys Protagonisten bewegen sich im Dickicht dieser Hingabe. Gary lässt seine Protagonisten das Leid ihrer zerbrechenden Liebe bis ins Unerträgliche fühlen. Für die schwerkranke Yannick gibt es zu recht keine Liebe bis in die Ewigkeit. Es gibt nur einen Ausweg, ihre Liebe zu konservieren: den Selbstmord. Michel geht auf in der Erinnerung. Während er auf Yannicks Tod wartet, durchlebt er jeden Moment ihrer Zweisamkeit der letzten Jahre noch einmal. Seine tiefe Liebe zeigt sich besonders in seinen "Erinnerungsfetzen". Briefe von Yannick an ihn. Kein Wort und keine Zeile, die er nach all den Jahren nicht auswendig weiß. In der Zufallsbekanntschaft mit Lydia entdeckt er eine Seele, die auch leidet. Mit ihr betäubt er erbarmungslos gegen sich selbst sein Leiden. Lydia steht dagegen für die verlorene Liebe. Im Raum bleibt für Lydia die Frage, ob ihre Liebe zu ihrem Mann nicht schon vor dem Unfall verloren gegangen ist. Dieser Zweifel gibt ihr die Chance auf ein anderes Leben.

Zwischen Trauer und Liebe treibt die Geschichte voran. Wird forciert durch einen zweiten Handlungsstrang. Im Blickpunkt nun der Varietékünstler Señor Galba mit seinem tanzenden Pudel und Affen. Im Blickpunkt wieder das Paar. Im Blickpunkt aber ganz besonders die Zukunft. Denn die Tiere tanzen den Pasadoble.
Garys Protagonist Michel leidet wie Orpheus. Auch ihm gelingt es nicht Eurydikes Liebe über den Tod hinaus zu retten. Und der Autor selbst? Ist nicht Michel ein Stück von ihm?

Es ist nicht ganz abwegig. Zumindest nimmt der fiktive Selbstmord Gestalt an. Jean Seberg nimmt sich das Leben. Romain Gary findet keinen Anker und keinen Balsam für seine Seele und gibt ebenfalls auf. Seine letzten Worte "No connection with Jean Seberg. Lovers of broken hearts are kindly asked to look elsewhere."

Romain Garys Die Liebe einer Frau ist eine wunderbare Ode an die immer währende Liebe zweier Menschen.

Romain Gary, Die Liebe einer Frau, Roman, aus dem Französischen von Leon Scholsky, mit einem Nachwort von Sven Crefeld, Umschlagmotiv: Jean Seberg und Romain Gary (1962), Leinen, mit Schutzumschlag und Lesebändchen, 192 Seiten mit zehn Fotos, 18,80, sFr 32,50, SchirmerGraf Verlag, München 2009, ISBN 978-3-86555-069-9

© Soraya Levin