Es ist nicht irgendeine Stadt, in der Wallant seinen Protagonisten Norman Moonbloom treppauf und treppab gehen lässt. Es ist die Stadt des Erfolgs und Glamours. Es ist New York.

Der jung verstorbene Autor, der den Roman 1963 veröffentlich hat, zeigt ein anderes New York. Ein New York voller enttäuschter Lebensgeschichten. Die Bühne für die Geschichten der weitgehend Gescheiterten liefern die vier Häuser von Moonbloom Immobilien. Stolzer Besitzer ist Irwin Moonbloom, der aus einer Erbschaft seinen amerikanischen Traum verwirklicht hat. Sein Bruder Norman hingegen, gehört wie die meisten Mieter, zu den Gescheiterten. Seine Erbschaft hat er in ein jahrelanges erfolgloses Studentenleben investiert. Nun sind seine sorglosen Jahre vorbei. Jetzt ist er Verwalter und Mieteintreiber für seinen Bruder Irwin. Nicht nur dieser setzt ihm zu, sondern auch die Mieter. Denn Moonblooms Immobilien sind schäbige Behausungen. Hier sind funktionierende Heizungen, Toiletten, Wasserhähne und Stromanschlüsse keine Selbstverständlichkeit. Norman Moonbloom ist wie jemand, der noch nicht erwacht ist. Abgelenkt von der jugendlich anmutenden Suche nach seiner Identität ist er ein Einzelgänger geblieben.

Er hat Berührungsängste mit den Mietern. Hat er sich doch in seine eigene kleine Welt zurückgezogen und sich nach außen gegenüber jedweder Gefühlswelt abgeschirmt. Norman will keine Nähe. Und nun wird er von Tür zu Tür mit dem ständigen Ansinnen, die verfallenen Wohnungslöcher zu sanieren, überflutet.

Wallants Mieter und sein Protagonist Norman Moonbloom sind ein spiegelnder Mikrokosmos der Metropole.
In den vier Häusern leben sie, die, die keine Stars sind, die einfach nur Mieter sind. Die Alternden, die Vergessenen, die Farbigen, die Homosexuellen, die Einsamen, die Alkoholiker, die Verwahrlosten, die ewig Trauernden, die sich nach Liebe Sehnenden, die Verzweifelten, die KZ-Überlebenden, die Kranken, die Hoffenden, die Jungen und die Verliebten. Hier brodelt es in den Wohnungen. Hier wird gestritten, geliebt, musiziert und getrunken. Hier wird geschwiegen und gebrüllt. Hier wird geweint und gelacht. Wallants Mieter haben viele Gesichter, aber keines ist namenlos. Hier lebt der homosexuelle Marvin Schoenbrun, der sich eine angenehme Wohnatmosphäre geschaffen hat. Hier lebt der Musiker Stan Katz, der mit seinen Misserfolgen kämpft, dem nicht mal ein Selbstmord gelingt. Hier leben die Hausers, die sich einmal im Monat ihrer Schäbigkeit entledigen, sich stylen und in den nächtlichen Hexenkessel New York abtauchen. Hier lebt der sexfanatische Wung und die sich seit 50 Jahren liebenden Jacobys. Hier leben Sarah und Aaron Lublin deren Zahlentätowierung auf ihren Gang durch die Hölle hinweist. Hier lebt der immer betrunkene Wayne Johnson, der davon träumt alles hinter sich zu lassen. Hier lebt der über 10o-jährige Karloff in seinem Müll und den Kakerlaken und Sugarman, dessen Bauchladen Süßes trägt und dessen Inneres nur Traurigkeit. Hier leben noch viele andere, die jemand anderes sein möchten, die sich ein anderes Leben wünschen, die glücklich und unglücklich sind. Sowie der Apotheker Beeler mit seiner Tochter, mit der Norman sein erstes Lustempfinden hat. Eine sexuelle Befreiung, die Norman erwachen lässt und ihn motiviert selbst Hand an den verwahrlosten Häusern anzulegen. Die Fassade 
ist noch dieselbe. Moonbloom hämmert und malert im Businesslook. Doch im Kern ist er im Kreis der Mitmenschlichkeit angekommen. Mit einem Mal ist da etwas Positives und das enttäuschte Leben verflüchtigt sich wie Norman Moonblooms sich langsam lösender Name an der Hausfassade. Der Mietsauger Norman und die gepeinigten Mieter treffen sich jetzt als Menschen.

Edward Lewis Wallant, Mr Moonbloom, Roman, Mit einem Vorwort von Dave Eggers, Die Neuausgabe des Originals von 1963 erschien 2003 unter dem Titel The Tenants of Moonbloom bei New York Review Books, New York, Aus dem amerikanischen Englisch von Barbara Schaden, 2012 Bloomsbury Verlag GmbH, Berlin, 320 Seiten, ISBN-13: 9783827009746, 22,99 [D] | 32,70 [A]

© Soraya Levin