Die Presse nennt ihn Super-Sarko, Speedy-Sarko oder einfach nur Sarko.

Nicolas Sarkozy, seit 2007 die Nummer Eins im Élysée-Palast. In seinem autobiografischen Buch „Bekenntnisse“ präsentiert sich der französische Präsident nicht nur politisch sondern auch privat.
Von ganz unten hat er sich in der Neogaullistischen Partei als politischer Ziehsohn von Jacques Chirac nach oben gearbeitet. Ein lebendiger Wechsel. Von Chirac nach Edouard Balladur, dem er im Wahlkampf 1995 die besseren Chancen einräumt. Es folgt der Bruch mit Chirac und nach der verlorenen Wahl „...ließ mich die neue Regierung, trunken von Erfolg und Macht, den Preis dafür zahlen, dass ich den falschen Kandidaten unterstützt hatte.“

Einen weiteren Preis zahlt Sarkozy in der Clearstreamaffäre, in der er in Schmiergeldzahlungen des Rüstungskonzerns EADS verwickelt sein soll. Sein Parteikollege Dominique de Villepin hat angeblich Material gegen Sarkozy gesammelt. „Für mich persönlich war die Affäre ein Lehrstück, welchen Preis man für den Dienst am eigenen Land und für die Kandidatur um ein nationales Amt zu zahlen hat.“ Obwohl er es verneint, rechnet er mit de Villepin ab. Sarkozy spricht von „Verschwörern“, „Intriganten“, „Hass“, „Gier“, „Eifersucht“, „schmutzige Tricks“, „Lügnern“, „blutigen Details“, „Erledigung von Drecksarbeit“.

Er sagt, „...dass in der französischen Republik ein derartiges Verhalten von nun an nicht mehr ungestraft bleiben wird.“
Ungestraft bleiben bei Sarkozy in seiner Funktion als Innenminister auch nicht die Krawalle überwiegend jugendlicher Immigranten in den Pariser Vorstädten im Oktober und November 2005.
Provozierend geht er durch den Stadtteil Argenteuil und ruft „Ich werde Sie von diesem Gesindel befreien.“ Damit setzt Sarkozy eine Lawine der Empörung in Gang. Er fühlt sich ungerechtfertigter Weise zum Sündenbock gestempelt.
Für ihn ist Frankreichs Integrationskonzept gescheitert.

Das Land durchzogen von Kriminalität, Krisen im Gesundheits- und Bildungssystem und einer anhaltenden strukturellen Arbeitslosigkeit. Frankreich stagniert nicht, sondern geht zurück. Die Franzosen sehnen sich nach den tradierten Werten wie Selbstverantwortung, Arbeit, Respekt und vor allem nach Hoffnung. „Überzeuge die Franzosen und gib ihnen wieder Hoffnung, indem du handelst.“ Sarkozys Hoffnung heißt ein Frankreich, wo sich Leistung wieder lohnt, wo das Sozialsystem von der Erwerbsarbeit entkoppelt wird, wo das Regierungssystem reformiert wird, wo Richter und Politiker sich verantworten müssen, wo der Weg der Arbeitszeitverkürzung verlassen wird, wo Bildung gezielt gefördert wird, wo die nationalen Interessen im Vordergrund stehen und Eigenverantwortung an die Spitze tritt. Ein Frankreich, das auch nach außen überzeugt. Ein Frankreich, das wieder als europäischer Motor führend ist, das mit den Ländern kooperiert, die für Frankreich wichtig sind. Sarkozys Vision heißt ein neues modernes Frankreich.

Vom ungarischen Immigrantensohn zum Präsidenten Frankreichs. Eine Erfolgsgeschichte ohne Gleichen, die selbstverliebt macht. Eine Erfolgsgeschichte, die keinen Zweifel an dem ‚großen’ Sarkozy duldet und „Bekenntnisse“ daher mit „Ichs“ überflutet.
Unbestreitbar ein bisschen zu viel Ego.

Sarkozy fordert einen Paradigmenwechsel. Nicht die Globalisierung zwingt die Staaten in die Knie. Für die Probleme Frankreichs ist das Festhalten an alten Strukturen und die damit verbundene Unbeweglichkeit verantwortlich.
Mit Nachdruck wiederholt Sarkozy die Notwendigkeit einer Abkehr von der 35 Stunden Woche. Er spricht sich für den Bruch mit den tradierten wohlfahrtsstaatlichen Verteilungen aus.

Frankreich in die Moderne führen, heißt für Sarkozy mehr Selbstverantwortung, heißt Abkehr von einem Sozialsystem, was an die Erwerbsarbeit gekoppelt ist. Es scheint, dass nur mehr Wettbewerb und mehr Arbeit für Gerechtigkeit sorgen.
Sarkozy hält staatlichen Interventionismus in Form von Mindestlöhnen für falsch. Keine Einwände hat er hingegen, wenn der staatliche Interventionismus die nationalen Interessen berührt wie im Fall des Energiekonzerns Alstom, wo Frankreich sogar gegen EU-Wettbewerbsbeschränkungen vorging.
Er kündigt vollmundige Ziele wie die Vollbeschäftigung in fünf Jahren an.
Sarkozy spricht sich für Respekt und Autorität aus. Er selbst hat aber keinen Zweifel an der Richtigkeit seines eigenen Verhaltens. Bedenkenlos provoziert er mit derben Kommentaren während der Unruhen in den Pariser Vorstädten 2005 und heizt damit die Situation weiter an. Eine adäquate Lösung bietet er an dieser Stelle nicht.
Der Bildungsmisere wird außer „Mehrarbeit der Lehrkräfte“ nichts entgegengehalten.

Außenpolitisch lässt Sarkozy keinen Zweifel aufkommen, dass Frankreich wieder an Bedeutung gewinnt. Sarkozys Bestreben gemeinsam mit Algerien eine Mittelmeerunion zu gründen, machen den französischen Alleingang deutlich. Eigene egoistische Interessen werden über die Gemeinschaftsinteressen der EU gestellt. Keinen Zweifel lässt Sarkozy auch in Fragen der europäischen Identität aufkommen.
„Der Beitritt der Türkei wäre der Todesstoß für die europäische Integration.“
Ohne Frage ist Frankreichs Ziel auch die Verbreitung und Achtung der Menschenrechte. Bei Licht besehen, verschwimmt dieses Ziel. Putin hält er für eine aufrichtige Persönlichkeit und für Verteidigungs- und Atomgeschäfte steht der libysche Revolutionsführer Gaddafi hoch im Kurs.

„Bekenntnisse“. Ein wirtschaftsliberaler Blick auf die Zukunft Frankreichs.
Interessant und gut lesbar bietet es Hintergrundinformationen zu den Visionen und Plänen 
des neuen französischen Präsidenten. „Bekenntnisse“ unterstreicht aber auch die widersprüchliche Persönlichkeit Sarkozys. Dem aufmerksamen Leser entgeht nicht die Selbstverliebtheit, die Wichtigkeit der eigenen Person und das Showtalent Nicolas Sarkozys. Nicht von der Hand zu weisen ist die Inszenierung einer beispiellosen harmonischen Ehe mit seiner Exfrau Cécilia, die er im Buch nur mit C. betitelt. Sarkozy bestreitet jedwede Inszenierung. „Die Öffentlichkeit des Privatlebens ist das größte Opfer, das ein moderner Politiker bringen muss... Mein öffentliches und privates Leben sind eins. Nichts, ich betone: nichts, war inszeniert.“ Aber ‚the Show must go on’ mit Fotomodell Carla Bruni. Auf jeden Fall gilt: diplomatische Professionalität reiht sich hinten ein, wie im Fall der anstehenden Indienreise Ende Januar 2007.

„Bekenntnisse“ präsentiert: Die politische Bühne Frankreichs als Selbstdarstellung eines nach Anerkennung, Bewunderung und Macht strebenden Sarkozys.

Nicolas Sarkozy, Bekenntnisse. Frankreich, Europa und die Welt im 21. Jahrhundert, aus dem amerikanischen Englisch übertragen von Stephanie Singh, Hrsg. von Philip H. Gordon, 288 Seiten, 19,95 [D] | 20,60 [A] | SFr 34,90 (UVP), München 2007, C. Bertelsmann in der Verlagsgruppe Random House GmbH, ISBN: 978-3-570- 01015-0

© Soraya Levin