„Israel ist an allem Schuld. Warum der Judenstaat so gehasst wird“ zeigt, dass in diesem Land wenig Mut dazu gehört, Israel zu kritisieren. Es gehört aber inzwischen viel Mut dazu, die Kritiker und ihren Hass zu hinterfragen, denn die wollen den ‚eigenen kleinen Hitler in sich‘ und ihren Antisemitismus nicht wahrhaben.

„Israel ist schuld. Basta.“. Es ist nicht der Refrain eines Popliedes oder Schlagers, der auf so einprägsame und so wiederkehrende Weise innerhalb der deutschen Bevölkerung leidenschaftlich gesungen wird. Diese schlichte Botschaft, die sich immer mehr nach außen wagt, die keinen Widerspruch duldet, verlangt nicht nach Reflexion, sondern sie stillt ein tiefsitzendes Verlangen antisemitischer Stereotype, das sich hinter einem Dickicht aus „Man wird doch wohl Israel kritisieren dürfen“, bis „Natürlich bin ich kein Antisemit aber ...“ bis zu jüdischen und intellektuellen Kronzeugen verschanzt.

Die beiden Journalisten Georg M. Hafner und Esther Schapira gehen in ihrem Buch „Israel ist an allem Schuld. Warum der Judenstaat so gehasst wird“ der Frage nach, wie judenfeindlich Deutschland ist.

Das Buch erhebt keinen wissenschaftlichen Anspruch. Es reflektiert aber sehr genau und zwingt den Leser dazu, sich selbst auf seinen Antisemitismus hin zu befragen. Experten aus den diversen Fachrichtungen der Politik, der Geschichtswissenschaft und der Psychologie kommen zu Wort und prägen am Ende das Bild eines tief verwurzelten in die Israelkritik eingepackten Antisemitismus, der sich nicht nur aus den Rändern von links und rechts sowie der muslimischen Community speist, sondern zunehmend mehr aus der gebildeten Mitte unserer Gesellschaft.

Der israelische Psychoanalyter Zvi Rex sagt ‚Die Deutschen werden den Juden Auschwitz nie verzeihen‘ und daher entlasten sie sich von ihrem Erbe, indem sie Auschwitz auf Israel projizieren. „Vielen Israelkritikern ist in Wahrheit nicht die Politik des Staates, sondern seine Existenz ein Dorn im Auge...“. Beispiele aus allen gesellschaftlichen Bereichen, die die Autoren anführen, stützen Zvi Rex Aussage. Sie zeigen nicht nur eine Radikalisierung des Sprachdiskurses im Hinblick auf Israel, sondern auch eine klare Täter-Opfer- Umkehrung.

So spricht der CDU-Politiker und Ex-Bundesminister für Arbeit und Soziales Norbert Blüm von einem „hemmungslosen Vernichtungskrieg“, der von Israel gegen die Palästinenser geführt wird. Sigmar Gabriel, SPD-Parteivorsitzender und Bundesminister für Wirtschaft und Energie spricht in Bezug auf Israel von einem „Apartheidstaat“. Die Partei „Die Linke“ ringt innerlich mit ihrem Antisemitismus und gesteht Israel seit 2011 wenigstens das Existenzrecht zu. Der Eichstätter Bischof vergleicht Ramallah mit dem Warschauer Ghetto. Die Presse spricht von „Ruinösen Hinterlassenschaften“, der „bösen Besatzungsmacht Israel“ und karikaturiert alte antisemitische Stereotype und der Musiker Roger Waters inszeniert eine Performance mit einem schwarzen Schwein gekennzeichnet mit einem Davidstern, dass zum Schluss der Show „geschlachtet“ wird.

„Die Juden waren und bleiben auch nach Meinung des gebildeten Elitepacks an allem schuld.“, sagt der Liedermacher Wolf Biermann. Zu dem von Wolf Biermann genannten „Elitepack“ gehören Leute wie Jürgen Todenhöfer, der sich auf Trümmerbergen in Gaza umgeben von Kinderspielzeug medial in Szene setzt und von der „Maßlosigkeit“ Israels spricht. Der die Raketenangriffe der Hamas verharmlost, sie gar als Pfeilspitzen bezeichnet und die Hamas mit in Notwehr handelnden Ur-Einwohnern Amerikas vergleicht. Zu diesem „Elitepack“ zählen auch Leute wie Jakob Augstein, Günter Grass, Udo Steinbach als langjähriger Leiter des Orientinstituts, der Nahostexperte Michael Lüders und natürlich die jüdischen Kronzeugen wie im Buch genannt Norman Finckelstein mit gern gelesener Literatur wie „Die Holocaustindustrie“.

Dieser dauerhafte Chor der Israelkritiker schreckt auch nicht vor antisemitischen Parolen der 1930er Jahre zurück wie die linke BDS-Bewegung zeigt, die zum Boykott israelischer Produkte aus den „besetzten Gebieten“ und Israel aufruft.

Interessanterweise gelten als besetzte Gebiete wie Hafner und Schapira anführen, nur der Gazastreifen, die Westbank und Ostjerusalem. Alle anderen weltweiten „besetzten Gebiete“ werden anderweitig benannt. So heißt beispielsweise das von der Türkei besetzte Gebiet auf Zypern Sonderzone. Auch stehen diese Gebiete nicht im Fokus der Kritiker wie im Buch am Beispiel von Marokko und der Westsahara deutlich wird. Warum protestiert niemand gegen den 2500 km langen Wall innerhalb der Westsahara und gegen die erbärmlichen Lebensbedingungen der Saharauis? Auch die UN schweigt sich hier aus. Sie konzentriert sich schwerpunktmäßig auf Israel, das den ersten Platz auf der Liste der Resolutionen belegt. So haben die Vereinten Nationen nur einmal in ihrer Geschichte für Israel gestimmt und zwar als es um die Staatsgründung ging. „Das Balg war zwar auf der Welt, aber man schämte sich des Nachwuchses und setzt bis heute alles daran, den unerzogenen Staat zur Räson zu bringen.“. Bereits 1974 hat Arafat in seiner Rede vor der UN unter großem Zuspruch gefordert, dass „Das Balg“ weg muss. 1975 hat die UN mit der Resolution 3379 Israel als rassistischen Staat definiert und ihn mit den Apartheidsstaaten Südafrika und dem ehemaligen Rhodesien gleichgestellt. Erst im Dezember 1991 ist die Rücknahme dieser diskriminierenden Resolution entgegen der arabischen Stimmen erfolgt.

Kofi Annan hat diese Resolution 1998 verurteilt. Israel wird dennoch weiter als rassistischer Apartheidstaat benannt und einseitiger Kriegsverbrechen beschuldigt. Angeführt wird beispielhaft der Goldstone-Bericht von 2008/09, in dem Israel schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden. Die Handlungen der Terrororganisation Hamas werden ausgeblendet. 2011 korrigiert sich Goldstone mit für die Israel-Kritiker nicht hörbaren Worten. Insbesondere auf die Verbrechen der Hamas bezogen sagt er, „Hätte ich damals das gewusst, was ich heute weiß, wäre mein Bericht deutlich anders ausgefallen.“.

Der Widerspruch der UN wird auch in den beiden Flüchtlingsorganisationen der UN sichtbar. Die UNRWA ist speziell nur für die Palästinenser. Für den Rest der Weltflüchtlinge ist die UNHCR zuständig, die unter anderem das Ziel hat, die Flüchtlinge in den jeweiligen neuen Ländern zu integrieren. Das Ziel der UNRWA ist hierzu diametral. Es geht nicht um die Integration der palästinensischen Flüchtlinge wie die Autoren aufzeigen, sondern um die Aufrechterhaltung des Flüchtlingsstatus und seine weltweit einzigartige Vererbbarkeit. Die Autoren verweisen auf die hohe Zahl der Mitarbeiter von 30.000, von denen fast alle Palästinenser sind. Die Organisation unterhält unter anderem auch Schulen und ist für Schulbücher verantwortlich, in denen zum Kampf gegen Israel aufgerufen wird. Die bewusste Ausgrenzung der Palästinenser im Libanon und den arabischen Staaten sowie die gesteuerte Aufrechterhaltung der Lager sind hingegen in der öffentlichen Wahrnehmung nicht zu orten. Zu orten sind vielmehr Ausstellungen zur Flucht und Vertreibung der Palästinenser durch die Israelis wie die Autoren am Beispiel der Nakba zeigen. Unterschlagen wird hingegen die Vertreibung von 800.000 Juden aus den arabischen Staaten, die der Staat Israel integriert hat.

Die in „Israel ist an allem Schuld“ zu Wort kommenden Personen zeigen, dass die antijüdische Haltung kein Zufall ist, sondern symptomatisch für die Mitte der Gesellschaft, die sich mit dem Vorpreschen der geistigen Elite aus ihrem Schatten wagt. Die Interviewten verheimlichen überwiegend ihr Jüdischsein. Sich als Jude zu erkennen geben, ist gefährlich wie der in Berlin lebende Autor und Psychologe Ahmad Mansour, Palästinenser und Israeli, sagt. für den „Palästinenser unter Deutschen, der lieber ein Israeli wäre,... ist die deutsche Mehrheitsgesellschaft zutiefst israelfeindlich,....“.

Dieter Tamm, der inzwischen emigrierte ehemalige Inhaber eines Lebensmittelladens in Berlin Tegel hat es erlebt: Pöbeleien an die Kundschaft und Drohungen wie „Judenschwein, du gehörst in die Gaskammer“. Die zu Wort kommende Annette Kahane von der Amadeu Antonio Stiftung warnt vor einer zunehmenden Gewalt gegen Juden: ‚Es gibt in letzter Zeit mehr körperliche Attacken als in den vergangenen Jahren...Leider sind es meist junge Migranten...Sie fühlen sich durch das, was die Mehrheitsgesellschaft denkt, nicht gerade entmutigt.‘. Und so hat man zum Al Quds Tag auf deutschen Straßen „Jude, Jude, feiges Schwein, komm heraus und kämpf allein.“, „Kindermörder Israel“ und „Hamas, Hamas - Juden ins Gas“ gehört.

Ist das die legitime Israelkritik oder Antisemitismus? Eine Entschlüsselung gibt der von den Autoren angeführte 3-D-Test des ehemaligen israelischen Ministers für Diasporafragen Natan Sharansky. „Wer Israel dämonisiere, delegitimiere oder doppelte Standards an das Verhalten Israels anlege, der müsse sich nicht fragen, warum er ein Antisemit gescholten werde.“.

Hafner und Schapira verdeutlichen, dass es an Empathie fehlt, wenn es um den Staat Israel geht. Von den Olympiaopfern, Flugzeugentführungen wie in Entebbe, Raketen auf die Zivilbevölkerung, bis hin zu den Selbstmordanschlägen: „Israel ist an allem Schuld“.

„Israel ist an allem Schuld. Warum der Judenstaat so gehasst wird“ zeigt, dass in diesem Land wenig Mut dazu gehört, Israel zu kritisieren. Es gehört aber inzwischen viel Mut dazu, die Kritiker und ihren Hass zu hinterfragen, denn die wollen den ‚eigenen kleinen Hitler in sich‘ und ihren Antisemitismus nicht wahrhaben. Ein brandgefährlicher Antisemitismus, der wie deutlich wird, sich zunehmend über die akademische Mitte hin ausbreitet und damit gesellschaftlich hoffähig wird.

Ein Paradebeispiel neueren Datums gibt der Grünen-Politiker Uwe Kekeritz im Juni 2015 auf dem evangelischen Kirchentag in Stuttgart. Er lässt sich die Kritik an Israel nicht verbieten und bricht das angebliche Tabu auf, denn er ist schockiert über die israelischen Sperranlagen, die er mit einer Mauer vergleicht, zu der „die Berliner Mauer nur ein Spielzeug dagegen war“.

Wolf Biermann hat bereits 2006 gesagt, „In Deutschland lieben es die Meinungsmacher, den Zaun, mit dem sich Israel schützt, in Erinnerung an das geteilte Deutschland gehässig eine Mauer zu nennen. Ich lebte lange genug hinter der Berliner Mauer und weiß, wie zynisch diese Gleichsetzung ist.“. Ein ekelhafter Zynismus, der sich gleichsam gegen die Mauertoten wendet. Ein menschenverachtender Zynismus, der ebenfalls bei den von den Autoren genannten Beispielen zu finden ist. So schreckt die BDS-Bewegung, die interessanterweise mit der NPD hinsichtlich des Warenboykotts im Einklang liegt, nicht davor zurück, in verabscheuungswürdiger Weise Bilder der Überlebenden des Außenlagers von Mauthausen, des Arbeitslagers Ebensee zu fotomontieren und die Opfer der Nazibarbarei mit Schildern mit der Aufschrift STOP THE HOLOCAUST IN GAZA zu versehen.

Ein ebenso zynischer und pervertierter Gebrauch der Sprache und des Vergleichs findet sich auch bei dem genannten Beispiel des Bischofs von Eichstätt. Auch hier stellt sich für den historisch nicht ungebildeten Leser die Frage der Motivation des Bischofs. Ist er historisch ungebildet? Dann sollte er lieber schweigen! Oder schwingt hier etwas anderes mit? Nämlich die Festsetzung von Bildern, die den Holocaust mit Israel gleichsetzen. Das Warschauer Ghetto ist der Verladebahnhof für das Vernichtungslager Treblinka gewesen. Die über 350.000 Eingesperrten waren hier auf engstem Raum zusammengepfercht. Die Bevölkerungsdichte lag bei ca. 150.000 Menschen je km2. In Ramallah liegt sie bei etwas über 2000 Menschen pro km2. Die Versorgungslage für die Ghettobewohner ist lebensbedrohlich gewesen. Lediglich 185 Kalorien pro Tag haben den Eingesperrten zur Verfügung gestanden. An eine medizinische Versorgung ist nicht zu denken gewesen. Morgens sind die Straßen mit Leichen übersät gewesen. 1941 gab es im August 5550 Tote, im September 5560 und im Oktober 4545 Tote wie die „Gazeta Zydowska“ gemeldet hat.

In diesem Ghetto Ramallah haben sich also freiwillig die vielen internationalen Organisationen, Vertretungen und Stiftungen, darunter natürlich auch deutsche, angesiedelt, immer in der Hoffnung, am Morgen verhungert zu sein oder durch eine Krankheit hinweggerafft zu werden und falls man überlebt haben sollte, später in ein Vernichtungslager der Israelis deportiert zu werden. Nach Ramallah kommen auch gern Touristen. Wie perfide müssen diese unter den genannten vorgefundenen Bedingungen sein. Denn eigentlich quartieren sich die Touristen in Hotels ein, machen Sightseeing, sitzen in Cafés und Bars. Ja, dieses ist Alltag im Ghetto Ramallah.

Wie der Historiker des jüdischen Widerstands Arno Lustiger bei Hafner und Schapira sagt „Wenn die Araber die Waffen endlich niederlegen, wird es keinen Krieg mehr geben. Wenn Israel die Waffen niederlegt, wird es kein Israel mehr geben.“.

Wolf Biermann sagt in seiner Gastrede in Israel „Was mich anwidert, das ist die großmäulige Besserwisserei der Wenigwisser in Europa gegenüber dem Nahostkonflikt“. Mich widert diese großmäulige Besserwisserei ebenfalls an und daher empfehle ich diesen Wenigwissern wärmsten die aufschlussreiche Literatur von Georg M. Hafner und Esther Schapira „Israel ist an allem Schuld. Warum der Judenstaat so gehasst wird“.

Israel ist an allem Schuld. Warum der Judenstaat so gehasst wirdGeorg M. Hafner und Esther Schapira, Hardcover, 317 Seiten, 2015 Eichborn Verlag Köln, 19,99 , ISBN: 978-3-8479-0589-9

© Soraya Levin